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Vote16 - Politische Haltung ist keine Frage des Alters

Vote16. Denn politische Haltung ist keine Frage des Alters

Vote16. Denn politische Haltung ist keine Frage des Alters

Demokratie betrifft uns alle. Interview mit Jannik Jürß und Kerry Hoppe.

Demokratie betrifft uns alle

Welches Ziel verfolgt ihr mit Vote16?

Kerry: Wir glauben, dass jungen Menschen, die jeden Tag gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, als Steuerzahler das Sozialsystem mitfinanzieren und das bayerische Ehrenamt  stützen, auch eine politische Stimme bei der Gestaltung ihrer Zukunft zusteht. Daher ist unser Ziel die Absenkung des aktiven Wahlalters in Bayern auf 16 Jahre im Wege eines Volksbegehrens. Aktuell befinden wir uns beim ersten Schritt des Volksbegehrens - der Sammlung der 25.000 Zulassungsunterschriften. 

„Politische Haltung ist keine Frage des Alters.“ Wer von euch hat’s gesagt? Und welche Argumente bringt ihr für das Wählen ab 16 Jahren außerdem an?

Jannik: Das war tatsächlich ein Gedanke beziehungsweise eine Formulierung unserer Agentur, die es aber ziemlich genau auf den Punkt bringt. Wir alle haben in den letzten Jahren gemerkt, dass die junge Generation irrsinnig politisch ist, und gewillt ist, für ihre politischen Themen einzustehen - ob bei der Klimafrage, Iran oder dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Gleichzeitig (das belegen Jugendstudien) haben ein Großteil junger Menschen das Gefühl, dass ihre Stimme in der Politik kein Gehör findet.

Wir möchten, dass sich politisch denkende Menschen in den demokratischen Institutionen wiederfinden und tatsächlich vertreten werden - schließlich sind sie auch diejenigen, die die Demokratie in Zukunft mitgestalten und mittragen sollen.

Ihr braucht die Stimmen derer, die bereits über 18 Jahre alt sind, damit in Zukunft in Bayern ab 16 gewählt werden darf. Was heißt das für euch?

Kerry: Zweierlei: Erstens möchten wir in unserer Kampagne Geschichten junger Menschen erzählen, die früh begonnen haben, Verantwortung zu übernehmen. Ob Soldat:innen, Sanitäter:innen oder Feuerwehrleute - wir möchten zeigen, welche Rolle junge Menschen heute übernehmen und die Stereotype der “faulen Gen Z” widerlegen. Zum zweiten möchten wir das gemeinsame gesellschaftliche Interesse an einer starken Demokratie adressieren.

In Zeiten wachsender Politikverdrossenheit und einem Erstarken der politischen Ränder trifft uns alle die Verantwortung, gewachsene Formen der politischen Partizipation neu zu denken und Menschen aufs Neue für die Demokratie zu begeistern.

Fakt ist, dass es kaum wirksamere Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie gibt, als eine Absenkung des Wahlrechtalters. Denn: Wer früh anfängt zu wählen, bleibt der Demokratie länger als Wähler erhalten und wählt mit einer größeren Wahrscheinlichkeit innerhalb der demokratischen Mitte. Das Wahlalter ab 16 ist damit ein gemeinsames Herzensanliegen aller Demokrat:innen und als solches behandeln wir es auch in unserer Kampagne.

Jannik Jürß

Ende 2016 erst zog Jannik aus dem Hohen Norden in den Freistaat. An der Uni Bayreuth hat er diesen Sommer sein Studium der Rechtswissenschaften abgeschlossen. Er engagierte sich in der Hochschulpolitik sowie im Bereich der politischen Jugendbildung und ist Co-Founder des Volksbegehren Vote16.

Kerry Hoppe

Kerry ist 21 Jahre alt und Jura-Studentin. Außerdem macht sie eine Ausbildung zur Reservereoffizierin bei der Luftwaffe. Neben ihrem Engagement für Vote16 kämpft sie auch für sich um jede Stimme, denn sie tritt als Kandidatin der FDP bei der Bayrischen Landtagswahl im Herbst 2023 an.

Fakt ist: Es gibt kaum wirksamere Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie als eine Absenkung des Wahlrechtsalters.

Kerry Hoppe

Was braucht ihr, was braucht aber auch der Diskurs in der Gesellschaft, damit das Volksbegehren Erfolg hat?

Kerry: Wir kämpfen mit vielen Stereotypen. Junge Menschen seien faul, unreif und politisch ungebildet. Damit gilt es aufzuräumen. Noch wichtiger ist es uns aber, eine gesamtgesellschaftliche Debatte über unsere Demokratie und insbesondere ihre Zukunft loszutreten.

Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ist eben nicht die Selbstverständlichkeit als die sie häufig im Alltag wahrgenommen wird - sie bedarf ständigen Einsatzes und ständiger Stärkung. An diese demokratische Verantwortung jedes einzelnen Bürgers wollen wir appellieren und gemeinsam als Gesellschaft die Frage beantworten, wie wir dieser Verantwortung gerecht werden können.

 

Ähnliche Initiativen gibt es ja auch in anderen europäischen Ländern und den USA. Habt ihr Kontakte dahin und was habt ihr euch abschauen können?

Jannik: Die Vote16-Bewegung beziehungsweise ähnlich benannte Ableger, die sich für eine Wahlalterabsenkung einsetzen, sind global aktiv: in vielen europäischen Ländern, dem Vereinigten Königreich, USA, Kanada und Neuseeland. Wir sind vor allem mit USA und der UK im Austausch. Für uns ist gerade der inhaltliche Austausch zu Kampagnenstrategien hilfreich - also die Frage welche argumentative Grundlage in welchen Milieus und verschiedenen Bevölkerungsgruppen am besten überzeugt.

Operativ mussten wir uns aber vieles selbst aufbauen, da das Instrument des Volksbegehrens international eher wenig verbreitet ist. Die Volksabstimmungen, die es bisher - etwa in USA - zu der Thematik gab, waren auf einzelne Counties und kleinere Städte begrenzt und haben damit für uns nur begrenzte Vorbildfunktion. 

 

Habt ihr lange an der Kampagne und Slogan gefeilt? Inwieweit habt ihr euch dazu Unterstützung von Profis geholt?

Jannik: Wir haben uns zunächst als Kernteam Gedanken gemacht, welche grundlegenden Kommunikationslinien wir verfolgen möchten und daraus Richtlinien erstellt. Für uns war von Anfang an klar, dass wir integrativ, brückenbauend und “dezidiert bayerisch” kommunizieren wollen, also aufbauend auf dem gemeinsamen Interesse an einer nachhaltig starken Demokratie und illustriert mit den Biographien bayerischer Verantwortungsträger:innen in Ehrenamt, Mittelstand und Handwerk.

Mit dieser Grundentscheidung haben wir uns dann an eine Agentur gewandt, die unsere Corporate Identity, unsere Website und diverse Slogans entwickelt hat. Dieses Vorgehen stufe ich auch weiter als richtig ein, da wir unser Thema und unsere Zielgruppe am besten kennen und damit die fundamentale Vorarbeit - welche Grundrichtung wir kampagnentechnisch einschlagen wollen - eher leisten konnten als eine Agentur. Gleichzeitig war die Arbeit unserer Agentur irrsinnig wichtig, um unsere Gedanken zu pointieren und zu schleifen. Also: Die Mischung macht’s!

Für uns war von Anfang an klar, dass wir integrativ, brückenbauend und dezidiert bayerisch kommunizieren wollen.

Jannik Jürß

Die Initiative habt ihr zu sechst gestartet. Nicht erst jetzt, wo ihr mit euren Ständen in ganz Bayern auf der Straße steht, sind viele Ehrenamtler:innen dabei. Wie organisiert und motiviert man eine solch große Gruppe? 

Jannik: Das ist tatsächlich von Tag zu Tag eine unserer größten Herausforderungen, weil extrem viele verschiedene Akteure involviert sind. Im Vote16-Team sind wir mittlerweile 80 Personen aus ganz Bayern und natürlich müssen wir indirekt auch die Engagierten unserer Bündnispartner immer wieder aufs Neue motivieren, mitzumachen und den ersten Teil des Volksbegehrens (die 25.000 Zulassungsunterschriften) proaktiv mitzugestalten.

Unserer Erfahrung nach funktioniert das am besten durch Kommunikation, Kommunikation und noch mehr Kommunikation. Durch regelmäßige Updates auf verschiedenen Plattformen halten wir alle auf dem neuesten Stand, informieren über aktuelle Einbringungs- und Unterstützungsmöglichkeiten und feiern die Erfolge der Engagierten. Wenn ein Bündnispartner beispielsweise eine besonders erfolgreiche Unterschriftenaktion oder ein besonders gutes Format hatte, dann teilen wir das - als Motivation und Best Practices. Neben den klassischen Informationstools wie Email, Slack und Whatsapp nutzen wir ebenfalls einen Infohub - eine Website - auf der alle Tools, aktuellen Infos, Best Practices und Dateien liegen.

Ganz wichtig für uns ist aktuell der Aufbau regionaler/lokaler Strukturen, damit aus dem Kernteam immer jemand vor Ort ist, der für Engagierte als direkter Ansprechpartner fungiert, denn Motivation und Lust auf Zusammenarbeit entsteht am besten durch direkten Austausch.

 

Anfang Mai 2023, PK im Münchner Presseclub – ihr bekommt viel Öffentlichkeit für eure Initiative, u.a. berichtet die Süddeutsche. Was habt ihr für Erfahrungen, vielleicht auch Learnings, im Umgang mit der Presse?

Kerry: Man muss grundsätzlich festhalten, dass uns die Presse überwiegend wohlgesonnen ist, in dem Sinne, als dass sie das Thema gerne mitaufnimmt - das ist ein nicht zu unterschätzendes Fundament. Alles andere ist konsequente Arbeit: Wir gehen mit gutem, ausgarbeiteten argumentativen Fundament in die Pressegespräche, achten auf unsere bereits angesprochene Kommunikationsstrategie und bleiben mit den Journalist:innen und Zeitungen, die uns in der Vergangenheit in ihre Berichterstattung aufgenommen haben, in gutem Kontakt.

Unsere klare Empfehlung an andere Projekte bei anstehenden großen Presseevents ist es, früh den Kontakt zu den wichtigen Playern zu suchen und das eigene Thema “anzuteasern”, damit man  auf jeden Fall Resonanz kommt. Pressearbeit ist auch Beziehungsarbeit.

 

Um euer Ziel zu erreichen, braucht ihr viel Geld – verratet ihr uns die Summe und wie ihr mit dieser Tatsache gegenüber möglichen Partner:innen und Spender:innen umgeht?

Jannik: Aus den Erfahrungen vergangener Volksbegehren peilen wir einen Kampagnenfonds von ungefähr 600.000 Euro an. Wir haben zwar schon einiges erreicht im Bereich Fundraising, aber bis zu diesem Ziel wird es noch etwas Arbeit erfordern.

Wir blicken dem positiv entgegen, weil wir auf mehrere Säulen bauen: Auf Organisationen wie JoinPolitics, institutionelle Förderung durch Stiftungen oder ähnliches, pro-bono-Angebote und Sponsoring sowie Spenden und Crowdfunding - so werden aus einem großen Ziel viele kleine, die besser zu bewältigen sind.

Genau das kommunizieren wir auch gegenüber unseren Spendern und potenziellen Partnern: Wir haben bereits jetzt, wenige Monate nach Projektstart, ein solides finanzielles Fundament vorzuweisen und haben zudem eine klare Strategie, wie und wo wir weiteres Funding akquirieren wollen.

Wir bauen auf mehrere Säulen [...]. So werden aus einem großen Ziel viele kleine, die besser zu bewältigen sind.

Jannik Jürß

Welches ist bis jetzt eure größte Hürde oder Herausforderung gewesen?

Kerry: Gute Frage! Ich würde da ehrlicherweise unsere ganz frühe Phase nennen, als wir wirklich nur eine Handvoll junger Menschen mit einer Idee waren. Damals mussten wir jedes Funding und jeden Bündnispartner extrem hart erkämpfen, weil wir noch keine etablierte, bekannte Organisation waren.

Mittlerweile werden wir von anderen Organisationen angefragt, ob sie mit uns zusammenarbeiten und uns unterstützen können - viele Kontaktpunkte ergeben sich durch unsere jetzige Bekanntheit wesentlich einfacher.

Natürlich hat sich auch der Workload dementsprechend rasant nach oben entwickelt, weil es immer mehr und immer dynamischer wird - aber das ist uns wesentlich lieber als die zähen ersten Wochen und Monate.

 

Eine persönliche Frage: Wie geht euer privates Umfeld mit eurem Engagement um? Neben Studium oder Arbeit ist Vote16 ja eigentlich ein weiterer Fulltime-Job.

Kerry: Ich bin wahnsinnig dankbar dafür, dass ich ein sehr verständnisvolles und vor allem geduldiges Umfeld habe, das meine Leidenschaft für diese Art des Engagements nachvollziehen kann. Ich für meinen Teil versuche mir genug Zeit für Familie und Freunde freizuschaufeln - natürlich ist das vermutlich noch immer weniger Zeit als bei manchen meiner Peers - aber ich versuche die bestmögliche Balance zwischen Arbeit/Engagement und Privatleben hinzubekommen.

Das klappt natürlich nicht immer, keine Frage, aber ich versuche diese Balance im Kopf zu behalten, egal wie stressig es wird. Mit der Zeit lernt man, dass man nie alles schaffen kann. Wenn dann mal Aufgaben liegen bleiben, um einen freien Abend mit der Family zu verbringen, dann ist das so. Davon geht Vote16 nicht unter.

Jannik: Natürlich ist das nicht einfach. Gerade bei Projekten, die man selbst aufgebaut hat und die einem so am Herzen liegen wie Vote16. Da bleiben sicherlich auch mal Dinge liegen oder man findet Lösungen, mit denen man am Ende nicht zufrieden ist. Ähnlich wie Kerry bin ich aber sehr dankbar dafür, dass mein Umfeld, insbesondere meine Partnerin, ein großes Verständnis für mein Engagement aufbringt. Genauso dankbar bin ich aber auch dafür, durch sie ab und an daran erinnert zu werden, wenn andere Themen als Vote16 Priorität haben.

Am Ende ist Zeitmanagement und die klare Abgrenzung - auch im Kopf - zwischen der Zeit, die ich in mein Engagement investieren kann, Studium und Privatleben der Schlüssel zum Erfolg. Ich will nicht sagen, dass mir das in den letzten Monaten immer gelungen ist, aber auch darin wird man besser und besser. 

 

Was kommt nach dem Erfolg von Vote16? Möchtet ihr auf Dauer auch das Alter für Kandidatur und Mandat senken? Habt ihr vielleicht selbst politische Ambitionen?

Jannik: Zur Frage des passiven Wahlrechts: Anders als beim aktiven Wahlrecht kommt hierbei auch die Frage der Geschäftsfähigkeit ins Spiel; hier ist eine Trennung von Volljährigkeit und Wahlalter nicht ganz so einfach. Langfristig ist aber auch das zumindest eine Diskussion wert. Ich bin sehr gespannt auf die Erfahrungen aus Baden-Württemberg, wo erst kürzlich das passive Wahlalter für kommunale Mandate auf 16 Jahre herabgesetzt wurde. Wir konzentrieren uns erstmal auf das aktive Wahlrecht.

Ich bin ein politischer Mensch und Vote16 wird sicherlich nicht mein letztes politisches Engagement sein. Jetzt schließe ich aber erstmal Vote16 und mein Studium ab. Dann werden wir sehen, welche politischen Möglichkeiten die nächsten Jahre bringen.

Kerry: Erstmal Urlaub ;).

Aber Spaß beiseite: Unser langfristiges Ziel ist es natürlich, dass in allen 16 Bundesländern sowie für die Bundestagswahl das aktive Wahlalter bei 16 liegt - dazu müsste auch die CDU im Bundestag dafür stimmen, um die notwendige, verfassungsändernde  ⅔-Mehrheit zu erreichen. Nach einem Erfolg in Bayern liegt also noch ein wenig Arbeit vor uns.

Ich persönlich kandidiere ja dieses Jahr auch für den bayerischen Landtag und bleibe deswegen gespannt, wo es mich noch hin verschlagen wird.